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erfektionismus kann ein Auslöser für ein Burnout sein. Ein Auslöser für den Perfektionismus kann wiederum ein überzogenes Schamgefühl sein. Wie bei (fast) allem in der Welt, gilt es auch hier eine Balance zu finden – zwischen der gesunden und wichtigen Scham sowie der ungesunden Scham. Das bahnt oft automatisch den Weg aus der Perfektionsfalle.

Gesunde Scham: Alarmglocke und Schutzmechanismus

Scham ist eine essentielle Kraft, um die gesellschaftlichen Normen und Gesetze aufrechtzuerhalten. Sie schützt sowohl unsere Intimsphäre als auch die Intimsphäre Dritter.

Hierzu ein Beispiel:

Du fühlst Scham, wenn du aus Versehen ein pikantes Foto von dir nicht an deinen Partner schickst, sondern an deine Schwiegereltern. Scham kann demnach als Alarmglocke dienen, die uns daran erinnert, dass wir die Regeln einhalten sollten, um in der Gesellschaft zu überleben. Durch Scham zeigen wir nach außen, dass wir nicht stolz auf unser Verhalten sind und andere nicht beschämen möchten.

Wissenschaftler haben klar festgestellt, dass manche Verbrechen nur deshalb verübt werden, weil der Täter kein Schamgefühl hat. Er schämt sich nicht dafür, einen Obdachlosen zu quälen oder Minderjährige zu missbrauchen. Die Taten begeht er nur deshalb im Geheimen, weil er einer Bestrafung entgehen will.

Derart niederträchtige Naturen finden sich in jeder Gesellschaftsschicht und sind an der Wurzel allen Übels in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden.

Wie eingangs erwähnt, ist Scham an Werte, Normen und Gesetze verbunden. So empfanden europäische Seefahrer des 17. Jahrhunderts die Einwohner des tropischen Pazifikraums als „schamlos“, weil sie nackt bzw. halbnackt waren. Für diese Menschen war die Nacktheit jedoch normal.

Die ungesunde Scham

Gleichgeschlechtliche Ehen, Transsexualität, nicht-binäre Menschen, Reality-Shows mit Sexeinlagen: Die Zeit in unserem Kulturraum ist von offenen Lebensentwürfen geprägt, die sich unsere Großeltern vermutlich nicht einmal hätten vorstellen können. Im Zuge dessen könnte man meinen, die Scham in der Gesellschaft hätte im Allgemeinen nachgelassen. Alles sei erlaubt, alle seien tolerant und jeder darf – im Rahmen des Gesetzes – tun, was er will. Doch das stimmt nicht.

Menschen empfinden nach wie vor eine natürliche Scham vor manchen Dingen, nur wird ihnen von allen Seiten, besonders durch die Medien, suggeriert, dass ein Schamempfinden nicht mehr "zeitgemäß" ist. Davon sollte und muss man sich frei machen, um glücklich zu sein.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Schönheitsideale.

Trotz Body-Positivity-Bewegung fühlen sich viele Menschen in ihrem Körper nicht wohl, wenn sie nicht einem bestimmten Figurtyp entsprechen. Welcher dies ist, hängt stark vom Kulturraum und der jeweilige Zeit ab. Insbesondere Frauen, die nicht dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen, klagen über Minderwertigkeitsgefühle. Sie schämen sich für ihren Körper.

Schönheitsideale sind aber nur ein Aspekt, der ungesunde Schamgefühle auslösen kann. Armut, Dummheit, ungewöhnliche Interessen und vieles mehr können ebenfalls Scham verursachen. Diese Scham kann folgende Konsequenzen haben:

  • Sucht
  • Angststörungen
  • Schuldgefühle
  • Aggressivität
  • Perfektionismus

Insbesondere der Perfektionismus ist ein häufiger Grund für ein Burnout. Der Betroffene steht unter einem großen Druck und versucht fortwährend, alles richtig zu machen und immer besser zu werden. Das ist per se nicht schlecht, aber wenn dies eine krankhafte Form annimmt, kommt es zur Überforderung und irgendwann zur chronischen Erschöpfung.

Ein Beispiel für ungesunde Scham als Burnoutauslöser

Katharina arbeitet bei einer Kosmetikfirma im Marketing. Sie hat hohe Gehaltsziele, denn in ihrer Familie sind alle gut situiert. Ob sie den luxuriösen Lebensstil selbst pflegen möchte, hat sie nie hinterfragt. Sie kennt ihre eigenen Wünsche und Grenzen gar nicht, da sie fortlaufend einen extremen Leistungsdruck von Seiten der Eltern verspürt hat. Dieser trieb sie zu Bestnoten im Studium, aber führten auch zu einem krankhaften Perfektionismus und einem starken Kontrollzwang. Im Job will sie immer alles richtig machen. Für jeden Fehler schämt sie sich zutiefst, weswegen sie Fehler lieber verschweigt und sogar vertuscht.

Alles setzt Katharina daran, nach außen perfekt zu sein und eine perfekte Arbeit abzuliefern. Doch das Leben zeigt einem manchmal, dass man alles perfekt machen, aber eine Sache dennoch schief gehen kann. Katharina zerbricht innerlich, als sie eine neue Kollegin erhält, die besser und schneller als sie selbst arbeiten kann. Sie verausgabt sich im Job nun noch mehr und überträgt diesen Perfektionismus auch auf ihren Körper. Die Folge: Eines Tages ist Katharina komplett ausgelaugt. Sie bricht vor Erschöpfung beim Cardio-Training zusammen. Im Büro schleichen sich wegen der chronischen Ermüdung zunehmend Fehler ein, sodass das Schamgefühl von Katharina sich noch verstärkt.

Am Ende sieht sie sich einem Burnout konfrontiert, für das sie sich nun auch noch schämt. Sie sagt sich: „Ich bin nicht stark genug, diesen Druck auszuhalten.“

Hätte Katharina kein überzogenes Schamgefühl, hätte sie Fehler zugeben können. Sie hätte sich und anderen eingestehen können, sie wäre nicht perfekt. Das ist bekanntlich niemand. Indem sie entspannter ihr Leben geführt hätte, hätte sie auch ihre persönlichen Grenzen und Wünsche erkannt. Das hätte sie ebenfalls vor dem Burnout bewahrt.

Schamgefühle können die Seele krank machen

Überzogene und ungesunde Schamgefühle können sich wie ein Schatten über das Dasein legen und die Freude daran trüben. In Kombination mit Schuldgefühlen, die oft mit der Scham Hand in Hand gehen, kann diese Kombination Menschen dazu veranlassen, sich von anderen zu distanzieren, was die negativen Auswirkungen noch verschlimmert. In ausgeprägten Fällen kann man ohne die Hilfe von Experten nicht aus diesem Teufelskreis ausbrechen. Daher ist es wichtig, das Gefühl des eigenen Wertes zu stärken und die positiven Seiten der Scham zu erkennen.

Fehler machen ist lebensfördernd und lebenswichtig

Die größte Sorge eines Perfektionisten ist, einen Fehler zu begehen. Damit macht er sich gegenüber anderen angreifbar und ist ein Grund, sich selbst zu zermartern. Gesund ist dies für die Seele nicht. Ein übertriebener Perfektionismus ist ein Lebens- und Freudehemmer.

Es ist gut, normal und wichtig, Fehler zu machen. Sie gehören zum Dasein dazu.

Um sich mental vom Perfektionismus zu distanzieren, sind für ein gesünderes Mindset folgende Tipps und Gedankenanstöße hilfreich:

  • Um in etwas wirklich gut zu werden, ist es erforderlich, die eigenen Wünsche, Grenzen und Begrenztheiten zu kennen.
  • Wenn ich keine Fehler machen darf und diese negiere, obgleich sie passieren, weiß ich nie, wo es einen Verbesserungsbedarf gibt.
  • Kleine Kinder lernen laufen, indem sie sich Abstützen und hinfallen. Sie werden also besser im Gehen, weil sie sich Hilfe suchen und aus Fehlern lernen.
  • Nur wenn ich meine aktuellen Begrenzungen kenne, kann ich sie irgendwann überwinden – oder eben auch nicht.
  • Du musst Dinge falsch machen, um zu begreifen, wie etwas richtig funktioniert.

Wahre Größe ist nur ohne ungesunde Scham möglich

Findest du bei dir Anzeichen, dass du in der Perfektionsfalle steckst? Wenn dies der Fall ist, dann ist es Zeit Distanz von dem Exzellenzstreben zu nehmen und zu entschleunigen.

Klar, das klingt leichter, als es ist. Du kannst dir nicht einfach nur zwei Wochen Wellnessurlaub nehmen und Entspannungsmusik hören. Stattdessen ist es wichtig, tief in dich hineinzuhören und zu ergründen, warum du dich in das Gefängnis der krankhaften Scham begeben hast. Was verursacht sie? Woher rührt sie? Wieso schämst du dich so sehr dafür, einen Fehler zu machen?

Parallel zu diesen Gedanken musst du Mut beweisen und dich trauen, einen Schritt aus deinem Schamgefängnis zu wagen. Das ist schwer, aber durchaus möglich. Du wirst mit so viel positiver Resonanz belohnt, dass es mit jedem Tag leichter gelingt.

Wichtiger Hinweis: Die hier angebotenen Informationen und Gedankenanstöße dienen lediglich der Orientierung und ersetzen keine qualifizierte, medizinische, heilpraktische oder anderweitige fachliche Beratung.

Weitere Informationen und Quellen zum obigen Thema:

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Photo by Pablo Varela on Unsplash

Publiziert am
Mar 31, 2023
 in Kategorie:
Maßnahmen

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